Emotionen im Change: Warum es unvernünftig (und teuer) ist, sie zu ignorieren.

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Die Manufaktur für Wachstum hat mich eingeladen, einen Beitrag zur Blogparade #emotionschafftmehrwert zu schreiben. Das tue ich gern, insbesondere, da mich dieses Thema seit Jahren umtreibt.

Es ist die Angst, über die ich schreiben möchte. Genauer gesagt: Die Angst vor der Angst. Und vor allen artverwandten, schwierigen, unerwünschten Gefühlen.

Emotion ist gern genommen, wenn verkauft werden soll, wenn Produkte und Dienstleistungen „emotional aufgeladen“ werden sollen – diese Emotion soll sich aber möglichst auf hollywoodesque, jacketbekronte Freude, Dynamik und Gemeinschaftlichkeit beschränken. Selbst in der Werbung, der sich-feierfreudigsten aller Kommunikationsdisziplinen, funktioniert dies zusehends und (vor allem dank Social Media) sichtbar schlechter. Ich kann vollkommen nachvollziehen, dass Stephan Rebbe sich entnervt und frustriert (meine Interpretation) aus dem Geschäft zurückzieht und die Konzernkunden als „Bewahrer und Angsthasen“ tituliert. Denn den richtigen Werbeweg zum Kunden, so gibt er freimütig zu, kennen die bisherigen Experten nicht, und die Kunden investieren lieber in bekanntermaßen erfolglose Modelle anstatt das Risiko eines Scheiterns auf neuen Pfaden einzugehen.

Veränderung muss schneller werden. Angst bremst.

Wie wirkt sich dieses Kaninchen-vor-der-Schlange-Phänomen erst in Disziplinen aus, zu denen die Attribute „shiny, happy, wunderbar“ noch nie passten? In Veränderungssituationen müssen sich Unternehmen, also: die Menschen darin, per se mit unbequemen Gefühlen wie Angst, Widerwille und Reaktanz auseinandersetzen – kleine Kinder führen uns am deutlichsten vor, wie konservativ Menschen von Natur aus gestrickt sind. Gute Kommunikation trennt hierbei die Spreu vom Weizen – ich habe bereits in einem früheren Post auf die ROI-Studie von Towers Watson hingewiesen, die im Kern aussagt, dass die wirtschaftliche Bedeutung guter Change-Communikation in einem zunehmend dynamischeren wirtschaftlichen Umfeld messbar steigt. Und „gute Kommunikation“ geht im Change dahin, wo auch das beste Change-Management selten hingehen kann: Ins Tal der Tränen. Denn Change-Kommunikatoren sind diejenigen, von denen ein Verständnis von und ein angemessener Umgang mit Emotionen erwartet werden kann. Ich habe in der Vergangenheit viele „Kommunikationskonzepte“ gesehen, die genau hier einen blinden Fleck hatten und Kommunikation „ausrollten“, als seien einschneidende Veränderungen auf Menschen einzuspielen wie eine neue Software auf den Computer.

Das Tal der Tränen: Alles wird gut. Vielleicht.

Etwa zwei Drittel aller Veränderungsprojekte scheitern. Diese Zahl steht seit Jahren im Raum und sorgt für Angst und Schrecken, jedoch selten für Umlenken. Nach wie vor werden die Kommunikationsleute häufig viel zu spät eingebunden – im schlimmsten Fall dann, wenn die Umsetzung bereits hakt und der Unmut der Belegschaft wirklich nicht mehr zu überhören ist – anstatt sie von Anfang an, also mit den ersten Überlegungen, ins Boot zu holen. Nur dann besteht eine realistische Chance, die Implikationen und das Ausmaß der Veränderungen aus Sicht der Mitarbeiter einzuschätzen und anzugehen. Frust, Ärger, Gefühle mangelnder Wertschätzung – diese Gefühle brauchen einen professionell organisierten Resonanzraum um nicht, marginalisiert neben den der oft „Yeah“-getriebenen Kommunikation, zu wahrhaft zerstörerischer Kraft zu gelangen.

Ins Tal der Tränen müssen wir in einem Changeprozess alle. Das ist insofern eine gute Nachricht, dass die Verantwortlichen nicht unbedingt etwas falsch gemacht haben, wenn der Widerstand der Mitarbeiter gegen die Zumutungen des Change nicht auf der Stelle bröckelt. Entscheidend sind der Mut der Beteiligten und Verantwortlichen, sich dem entgegen zu stellen, und zwar mit den angemessenen Ressourcen, Plattformen und auch einem langen Atem. Diese Investitionen lohnen sich auch wirtschaftlich – ein Unterscheidungsmerkmal zwischen „erfolgreichen“ und „weniger erfolgreichen“ Change-Projekten besteht darin, dass bei den guten die Veränderung Wurzeln in der Unternehmenskultur schlagen kann, während die schwächeren zu früh „back to business“ wollen und ihre mühsam und teuer implementierten Veränderungen von den Ausprägungen der früheren Kultur überwuchern lassen.

 

Tltr: Sich mit Emotionen im Change-Prozess auseinanderzusetzen, ist nicht gefühlig, sondern klug. Es erfordert Mut, Kompetenz und Durchhaltevermögen und rechnet sich – wenn man es denn schafft, zum glücklichen Drittel der „Change-Schaffer“ zu gehören – in barer Münze.

 

P.S.: Ich habe neulich in der Vorbereitung zu einem Workshop die „Fünf Phasen der Trauer“ nach Kübler-Ross gegoogelt (ja, Veränderungen ziehen Trauerprozesse nach sich. Das hätte ich vielleicht auch im eigentlichen Post schon erwähnen können). Ganz weit oben fand ich zu meinem großen Amüsement ein Zitat von Meredith aus „Grey’s Anatomy“ – und mag es ganz gern, weil es einen in der Unternehmenskommunikation häufig vergessenen Aspekt von Veränderungen, nämlich das persönliche Wachstum, in den Vordergrund stellt:

„Veränderungen. Wir mögen sie nicht. Wir haben Angst davor. Aber wir können sie nicht aufhalten. Entweder passen wir uns den Veränderungen an oder wir bleiben zurück. Es tut weh, zu wachsen. Wer sagt, er wäre nicht so, der lügt.“

 

(Bildnachweis: owik2/photocase.de)

 

 

3 Antworten

  1. Veränderung bedeutet, seinen sicheren Boden aufgeben zu müssen und Neuland zu erkunden. Niemand verlässt gerne seine Komfortzone und begibt sich ins Schussfeuer des Unbekannten. Aber gerade im beruflichen Kontext ist man gezwungen, auch mal etwas zu wagen – vor allem, wenn man Erfolg haben möchte. Veränderung bedeutet Verbesserung, was im Grunde genommen das Ziel jeglichen Menschen ist, oder?

    1. Hallo Dominik, schöne Sichtweise, als Haltung fürs Individuum finde ich das auch unbedingt erstrebenswert. Im beruflichen Umfeld bedeutet Veränderung tatsächlich zunächst oft und erkennbar nichts Gutes – spätestens, wenn Privilegien beschnitten oder gar Entlassungen ausgesprochen werden, ist es zumindest ein weiter Weg zur „Verbesserung“ (schon mal „Up in the Air“ mit George Clooney gesehen, fällt mir grad dazu ein?). Mindestens für diejenigen, die bleiben, fällt der Change Kommunikation dann die (harte) Aufgabe zu, Sinn und Perspektiven zu vermitteln. Wenn auch die nicht oder weniger betroffenen Mitarbeiter innerlich kündigen oder blockieren, wird’s richtig haarig (und: teuer).

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