Sieben Tipps, wie wir die Learnings der Corona-Zeit sichern können
Eine Krise ist eine Krise ist eine Krise. Und auch, wenn es aktuell neben denjenigen mit realen Existenzängsten auch viele gibt, bei denen zumindest das Business richtig gut läuft, machen wir gerade in allen Unternehmen oder Organisationen neue Erfahrungen, die sich teils massiv vom alten „normal“ unterscheiden. Und während Politik, Wissenschaft und Wirtschaft um einen Weg ringen, wie wir uns in den nächsten Monaten mit dem Corona-Virus arrangieren, steht zumindest eines fest: Ein Zurück in die Welt vor Februar 2020 wird es nicht geben (erinnert sich noch jemand an die Dallas-Folge, in der Bobby nach x Folgen aus Pams Albtraum wieder auftauchte?).
Viel wird auch aktuell darüber spekuliert, wie sehr sich unsere Gesellschaft, unser tägliches Miteinander und die von Home-Office und Sturz-Digitalisierung angefasste Kultur in Unternehmen verändert haben wird, wenn wir die Pandemie als überwunden ansehen dürfen. Im totalen Tumult trauen wir uns plötzlich gleichzeitig, große Würfe zu denken und zu fordern (ein bedingungsloses Grundeinkommen), schmerzhafte Einschnitte zu akzeptieren (zum Beispiel in unsere persönlichen Grundrechte) und unsere persönliche Wahrnehmung, den Blick aufs Miteinander, sensibler und kritischer zu betrachten. Was für ein beeindruckendes Nebeneinander. Ich höre und lese gerade häufig die Hoffnung, dass wir – nach Corona – automatisch in einer besseren Welt leben und arbeiten werden, aber: Ich glaube das nicht. Zumindest nicht, ohne dass wir aktiv und bewusst daran arbeiten, die „guten Nebenwirkungen“ der Krise voranzutreiben und die unerwünschten Verhaltensweisen „auszuschleichen“, denn gewachsene Kulturen versuchen immer, sich ihren angestammten Platz zurückzuerobern.
Was können wir also tun, um das „neue Normal“ zu etablieren anstatt später enttäuscht in die Röhre zu schauen? Ich mache mal einen ersten Aufschlag mit sieben Tipps:
Trennung, jetzt!
„Kann das weg?“ Viele Teams merken gerade, dass sie auf bestimmte Prozesse und Rituale verzichten müssen – und nichts fehlt. Ob es ein wöchentliches Treffen mit Anreise ist, ein langes Abstimmungsprocedere, das gerade zwangsläufig verschlankt wird ohne Qualitätsverlust: Schneidet alte Zöpfe JETZT ab und sorgt dafür, dass sie nicht wieder aus der Mottenkiste gekramt werden können.
Macht konkrete Pläne und kommuniziert sie!
Das gilt andersherum genauso für alle vagen „Man-müsste-mal…“-Absichtsbekundungen. Schafft Fakten, macht konkrete Pläne und kommuniziert diese so klar und so rechtzeitig wie möglich („Mit Software xy haben wir im März so gute Erfahrungen gemacht, dass sie bis xy ins ganze Unternehmen ausgerollt wird. Vorstand x und Projektleiter y sind dafür verantwortlich“)! Ganz nebenbei schafft eine starke interne Kommunikation über gemeinsame Lern- und Entwicklungserfolge sehr viel Nähe. Auch und gerade, wenn’s so nah am täglichen Business ist.
Haltet nicht mit Anerkennung hinter dem Berg!
Die Corona-Krise fasst uns alle sehr persönlich an. Nicht nur der Blick in die heimische Arbeitsumgebung von KollegInnen hat etwas Intimes, auch über ihre Gemütsverfassung erfahren wir gerade oft sehr viel mehr als zuvor. Dieses Rohe, Verletzliche hat sicherlich etwas Beängstigendes für viele Menschen, die ihre professionelle Rolle bisher gern vor ihre Persönlichkeit gestellt haben und nur wenig Authentizität zulassen wollten. Ich erlebe allerdings, dass wir aktuell viele neue Facetten sehen an Menschen in unserem Umfeld und oft positiv überrascht sind von ihrem Verhaltensspektrum: Plötzlich ist der ungeduldige Kollege langmütiger, die burschikose Chefin feinfühliger, bietet jemand unerwartet Unterstützung an. Wundert euch nicht im Stillen, sondern gebt entsprechendes Feedback. Idealerweise nicht in der Form „sonst bist du immer so…“, sondern als, ihr ahnt es, Ich-Botschaft und Wunsch formuliert: „Mir hat geholfen, dass du…“, „Ich wünsche mir, dass du uns xy öfter ermöglichst, weil…“.
Übrigens: Das geht auch von unten nach oben. Selbstverständlich kann man auch Vorgesetzten rückmelden, wenn sie positiv aus der Rolle fallen. Der Grad zwischen wertschätzender Kommunikation und „Schleimen“ mag ein schmaler sein. Wenn er unmöglich erscheint, deutet das allerdings auf größere Tücken im System hin.
Achtet darauf, wer führt!
Mein Lieblings-Bonmot aus dem systemischen Coaching lautet: „Führung ist ein Beobachterphänomen“. Will heißen: Unabhängig vom Titel auf der Visitenkarte orientieren Menschen sich instinktiv an denjenigen, die sich verhalten wie „Leader“. Ich persönlich glaube, dass diese Krise eine Situation ist, in der sich zeigt, wer beispielsweise bisher unentdecktes Talent als Führungskraft hat, weil er oder sie Jobs gewuppt kriegt, Teams zusammenhält und einen guten Blick auf die eigenen Ressourcen hat. Wenn ihr selbst Führungskraft seid: Geht die Themen „Personal- und Persönlichkeitsentwicklung“ in eurem Team jetzt zumindest gedanklich aktiv an. Wenn ihr gerne eine Führungsfunktion haben möchten und seht, dass ihr jetzt organisch in eine solche Rolle rutscht: Sorgt jetzt dafür, dass ihr euren Anspruch formalisiert, damit er „nach Corona“ nicht in Vergessenheit gerät.
Führt euch selbst!
Gute Selbstführung ist der Schlüssel, um andere Menschen führen zu können. Gefordert ist aktuell „New Leadership“ – das fanden in der Theorie auch in den letzten Jahren schon alle toll, mussten aber selten tatsächlich so „ran“ innerhalb des New Work-Konzepts wie jetzt. Und abseits von Hierarchien und fachlicher Kompetenz Menschen einen Rahmen zu eigenverantwortlichem und effizienten Arbeiten zu geben ist, Verzeihung, verdammt anspruchsvoll.
Ich habe vorweg einiges geschrieben über den Mut, mehr Ehrlichkeit und Konsequenz zuzulassen. Dazu gehört unter Umständen auch sich einzugestehen, dass man selbst vielleicht (noch) nicht unbedingt eine Führungsposition haben möchte. Hier einen Schritt zurückzugehen ist in den meisten Fällen auch ein wirtschaftlich kühner Schritt – ich würde mir aber wünschen, dass ein krisengeschärfter Blick auf die eigenen Bedürfnisse und Prioritäten mehr Menschen zu mutigen Entscheidungen führt, sich selbst und den MitarbeiterInnen zuliebe.
Seht auf die Dynamik im Team!
Nur kurz, weil es sich in Teilen aus den vorigen Abschnitten ergibt: Euer Team wird nicht so aus der Krise rausgehen, wie es reingegangen ist. Die Team-Uhr wird in vielen Fällen (insbesondere da, wo virtuelle Zusammenarbeit wirklich neu war) ein paar Stunden zurückgesprungen sein, so dass eventuell neues „Norming“ nötig sein wird. Spart hier nicht an der Zeit, die es braucht, um (wieder) in eine gute Zusammenarbeit zu kommen. Das gilt insbesondere, wenn teamübergreifend eine Frage im Raum steht:
Was für ein Unternehmen (eine Organisation…) wollt ihr sein?
In der Krise zeigt sich, ob eure Identität, eure Werte, euer „Purpose“ definiert, verstanden und gelebt sind. Gibt es hier Brüche, Unklarheiten, Historisch überholtes… ist jetzt die beste Zeit, ernsthaft daran zu arbeiten: Denn ihr braucht eure Leute nicht erst zu sensibilisieren oder emotionalisieren wie in Zeiten vermeintlicher Sicherheit, in denen diese Themen oft als akademisch-abstrakte Fingerübungen wahrgenommen werden. Die Dringlichkeit, klar zu definieren, warum und wie ihr in Zukunft im Markt bestehen wollt, wird sehr lange nicht mehr so offensichtlich sein wie jetzt. Davon bin ich fest überzeugt.