#bloggerfuerfluechtlinge: Mit Gefühl, Mit Denken, Mit Machen

Die Flüchtlingskrise stellt die Welt aktuell vor eine humanitäre Herausforderung, wie ich sie mir noch vor einigen Monaten nicht hätte vorstellen können . Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass sich nicht nur für diejenigen, die gerade auf der Suche nach Sicherheit und Perspektiven zu uns fliehen, sondern auch für mich selbst und mein direktes Umfeld JETZT entscheidet, in was für einer Gesellschaft wir alt und grau werden.

Habe ich schon einmal erwähnt, wie froh ich bin, in Hamburg zu leben? Mit Lokalpatriotismus (der kleinen Cousine des Nationalismus imho) habe ich wenig am Hut, aber zu sehen, wie hier auf eine Weltoffenheit gebaut wird, was für ein Gemeinsinn entsteht, wie klar sich mein ganzes Umfeld gegen jede Form von Rassismus positioniert und vor allem mit anpackt, bewegt mich sehr und gibt vor mir selbst die Zuversicht, dass eine Spaltung dieser Gesellschaft nicht bevorsteht. Die Aktion #bloggerfuerfluechtlinge (Blogger für Flüchtlinge) unterstütze ich gern; Adressen wie die Kleiderkammer in den Messehallen und andere lokale Unterstützungsmöglichkeiten in Hamburg sind hier bekannt und organisieren sich insbesondere über Facebook tagesaktuell. Meine absolute Hochachtung gilt denjenigen, die momentan ihr Arbeits- und Privatleben um ihren ehrenamtlichen Einsatz herum organisieren – das mus ich umso deutlicher sagen, als ich selbst viel zu wenig mache momentan.

Aber neben diesem Kokon der Menschlichkeit, in dem ich mich problemlos fast ausschließlich bewegen könnte, gibt es echte Paralleluniversen, die mir wirklich Angst machen. Insbesondere auf Facebook kann man seine geistige Gesundheit riskieren, wenn man sich durch die Seiten der „Asylkritiker-nicht-Nazis“ arbeitet – Nährschleim für Verschwörungstheoretiker, kleine und große Nazis, in ihrer großen deutschen Kultur (Biertrinken, Grölen, Fahnenschwenken und Schweinefleischessen – jo, unbedingt schützenswert, was diese Spezis als kulturelle Eckpfeiler ansehen…) bedrohte Kleingeister. Ich habe aufgegeben, diese Drecksställe Facebook zu melden (ca. 40-50 eindeutig rassistische, gewaltverherrlichender und zu Gewalt motivierender und hetzender Seiten gemeldet – nicht eine wurde von Facebook als solche anerkannt); Strafanzeigen scheinen das einzig realistische Mittel zu sein.

So jämmerlich und verachtenswürdig ich die ganzen Superegoismen in ihrem „Und-wer-kümmert-sich-um-mich“-Kokon finde (eindeutiges Erkennungszeichen: Obdachlose gegen Flüchtlinge ausspielen, sich aber offensichtlich noch NIE um irgendeinen Schwachen außer sich selbst gekümmert haben) – für eine große Gruppe fehlt mir jedes Verständnis: Die vielen noch lebenden Deutschen mit eigener Fluchtgeschichte und Menschen, die selbst mit Erzählungen über Flucht und Not aufgewachsen sind und trotzdem meinen, jetzt ihre Pfründe gegenüber fliehenden Menschen verteidigen zu müssen. Ich mag rational wissen, dass selbst eigene Erfahrung nicht zwangsläufig zu Empathie führt. Nachvollziehen kann ich solch emotionale Beschränktheit jedoch nicht.

Deswegen habe ich mich sehr gefreut über den Beitrag von Carline Mohr auf ihrem Mohrenpost-Blog: Ihr Papa, ein älterer Herr mit sehr klarem Verstand, heißt Flüchtlinge Willkommen und erklärt, warum dies einfach richtig ist. Ein innerer Kompass, den ich gern hunderttausendfach vervielfältigt an verwirrte Seelen in allen Ecken dieser Republik senden würde.

Jede und jeder kann etwas tun: Spenden, helfen, klare Kante zeigen. Aber vor allem: Sich überlegen, in was für einem Gemeinwesen wir leben wollen. Denn Solidarität und Empathie gibt es nicht wahlweise für „die“ oder „uns“, sondern nur für alle.

 

 

 

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