Alles andere als „weich“: die Kulturanalyse von Denison im Change

Auch meine Kollegin Silke Evers (meine bessere Hälfte bei DIE VERSTÄRKUNG) begleitet Organisationen in Veränderungsprozessen. Ein Thema, welches dabei ihre Mandanten immer stärker beschäftigt, ist die Rolle der Unternehmenskultur. Silke arbeitet mit der Kulturanalyse von Denison, um Organisationen dabei zu unterstützen, ihre Veränderungsziele zu erreichen. Das hat mich interessiert.

Silke Evers (Foto: Nicole Siemers)

Silke, eines deiner Steckenpferde ist das Thema Unternehmenskultur. Du arbeitest mit einer wissenschaftlich fundierten Analysemethode. Das hört sich spannend an. Wann entscheiden sich Unternehmen für eine solche Maßnahme?

In der Regel, wenn sie verstanden haben, dass das Thema Unternehmenskultur nicht einfach ein „weicher“ Faktor in ihrer Bilanz ist, sondern sehr konkret auf den Erfolg eines Veränderungsvorhabens und damit auf ihre Profitabilität und die gesamte Geschäftsentwicklung einzahlt.

Das ist zum Beispiel immer häufiger der Fall bei Fusionen und Übernahmen, bei grundlegenden Turnarounds oder wenn eine Leistungssteigerung auf Team- und Mitarbeiterebene gewünscht ist. Oder ganz allgemein gesprochen: bei der Umsetzung und Verankerung von Transformationsprozessen.

Fragen, die Organisationen sich dann stellen, lauten beispielsweise: Wie stark ist das Erreichen unserer Ziele eigentlich von unserer Firmenkultur abhängig? Wie können wir das am besten analysieren und in geeignete Maßnahmen übersetzen?

Doch viele Firmen tun sich schwer, das Thema konkret anzupacken: schwer greifbar, nicht messbar, zu weich. Und tatsächlich ist die „Messung“ der Kultur nicht trivial, denn berechtigte Fragen lauten: Wie misst man Kultur? Geht es um Werte, um Verhalten, um Haltung? Wer bewertet das und wie?

In der Praxis gibt es ja unterschiedliche Ansätze, auf Unternehmenskultur zu schauen. Worauf guckt die Denison-Analyse?

Denison geht davon aus, dass die Kultur die Essenz einer Organisation ist. Es geht um instinktive, sich wiederholende Gewohnheiten und emotionale Reaktionen, die die Verhaltensweisen definieren. Salopp gesagt, ist für Denison Kultur „Was wir tun, wenn wir uns unbeobachtet glauben“.

Wichtig dabei ist: Die Denison-Analyse guckt auf die Werte, Einstellungen, Normen und Überzeugungen von Mitgliedern einer Organisation, ohne sie zu bewerten. Es geht nicht um „richtige“ oder „falsche“ Unternehmenskultur, sondern um eine gesunde Kultur, die auf die Unternehmensstrategie einzahlt.

Mithilfe eines standardisierten Fragebogens werden diejenigen Stärken und Schwächen eruiert, die die unternehmerische Leistung bestimmen und dann mit einer Benchmark verglichen. Das Denison-Modell stellt einen klaren Bezug zu Faktoren wie ROI, Kundenzufriedenheit, Marktanteil, Innovationskraft etc. her und zeigt sehr anschaulich die kulturellen Spannungsfelder auf.

Und wenn man dann seine Schwachstellen schwarz auf weiß sieht: Kann man als Organisation die Kultur überhaupt zielgerichtet ändern? Da scheiden sich ja die Geister…

Das kann man durchaus, nämlich indem man Schritte einleitet, die Rituale, Gewohnheiten und Routinen zwangsläufig verändern. Das kann der Abbau von Hierarchien, mehr bereichsübergreifende Vernetzung, ein engerer Kundenkontakt, eine starke Vision usw. sein. Und da gibt es leider keine Standardrezepte, sondern es muss in einem ehrlichen Diskussionsprozess auf Basis der Analyseergebnisse genau definiert werden, auf welche Bereiche man sich fokussiert und welche Maßnahmen am besten zur Organisation passen. Idealerweise werden diese dann auch bei der Führungskräfteentwicklung berücksichtigt.

Übrigens stellen Unternehmen häufig fest, dass in unterschiedlichen Bereichen oder Niederlassungen auch unterschiedliche Kulturen herrschen. Daraus eine einzige Kultur zu formen, wäre die Quadratur des Kreises und kann natürlich nicht klappen, gerade wenn wir von größeren oder internationalen Organisationen sprechen. Hier geht es eher darum, gezielt dort anzupacken, wo kulturelle Merkmale die Geschäftsentwicklung hemmen, oder auch eine eher grobe gemeinsame Ausrichtung der Unternehmenskulturen zu definieren.

Das leuchtet ein. Aber jetzt nochmal ganz konkret: Was haben Organisationen davon und könntest du mal ein Beispiel nennen?

Ja, klar. Unternehmenslenker sind ja naturbedingt zahlengetrieben und wünschen sich auch eine Messbarkeit ihrer Investitionen. Und das Denison-Modell arbeitet eben mit einer Benchmark und Kennzahlen – so kann die Effektivität des gesamten Kulturtransformationsprozesses gemessen werden. Seit seiner Einführung im Jahr 1998 sind Daten von mehr als 3.000 Unternehmen in die Denison-Datenbank eingeflossen. Das Modell funktioniert auch als «Change Monitor», denn in der Regel wird die Analyse nach 12 bis 18 Monaten wiederholt, um den Erfolg zu tracken und gegebenenfalls bei den Maßnahmen nachzusteuern.

Und jetzt zum Beispiel: Eine ehemalige Nummer 1 an ihrem Markt sah sich seit einigen Jahren mit einem rückläufigen Marktanteil konfrontiert und wurde langsam, aber sicher zum Übernahmeziel von Wettbewerbern. Bei der Kulturanalyse kam heraus, dass der Teamzusammenhalt sehr stark ausgeprägt war und bestehende Systeme, Strukturen und Prozesse sehr gut funktionierten. Die größten Schwachpunkte lagen allerdings in den Bereichen des organisationalen Lernens, der Vision sowie der Eigenverantwortung und Entwicklung von Mitarbeitern. Als der Geschäftsführer das Ergebnis sah, sagte er ganz richtig: „Wir sind ein Team, das zusammen untergeht“ – und somit waren die Entwicklungsfelder offensichtlich.

Und was hat für dich den Ausschlag gegeben, mit Denison zusammenzuarbeiten?

Ich interessiere mich eben sehr für die kulturelle Seite von Veränderung, weil ich glaube, dass hier auch ein Grund liegt, warum viele Veränderungsprojekte immer noch scheitern. Einstellung von Mitarbeitern ist so eine starke, versteckte Kraft im Unternehmen, die – wenn sie positiv entwickelt wird – Berge versetzen kann.

Meine erste Begegnung mit Denison war, als ich in einer Fachzeitschrift las, dass ein Private-Equity-Investor seine Beteiligungen immer zuerst mit dem Denison-Modell einer „Cultural Due Diligence“ unterzog, um direkt die größten Entwicklungsfelder zu kennen. Das fand ich faszinierend.

Dann habe ich festgestellt, dass das Modell auf einem soliden Fundament jahrelanger Forschungsarbeit beruht und die statistische Analyse mit betriebswirtschaftlichen Kennzahlen verknüpft ist. Denison ist in über 50 Ländern weltweit präsent und der Survey kommt in jeder Art von Unternehmen in den verschiedensten Branchen zum Einsatz und ist in über 40 Sprachen übersetzt. Das hat mich überzeugt.


Die Denison-Kulturanalyse: Wie aus vermeintlich „weichen“ Faktoren belastbare Aussagen werden.