Die nächsten Wochen sind sehr geprägt von „workshoppen und geworkshoppt werden“ – da verlangt mein Geist dieser Tage etwas fachlichen Input zu anderen Themen und mein Körper bat um Powerpoint-Pause und Sonne auf dem Balkon.
So konnte ich heute endlich „Beratung ohne Ratschlag“ von Sonja Radatz und „Management by Internet“ (Untertitel: Neue Führungsmodelle für Unternehmen in Zeiten digitaler Transformation) von Dr. Willms Buhse auslesen. Letzteres kommt jetzt auf den Seziertisch und, um das vorwegzunehmen: Es ist „a schöne Leich‘ „.
Der etwas sperrige Untertitel vermittelt sehr viel genauer, worum es geht, als der catchy Buchtitel selbst: Buhse geht nur vereinzelt auf webbasierte Tools ein, und das ist auch gut so. Denn die große Stärke des süffig geschriebenen Bandes liegt darin, dass der Autor nicht realitätsfern über Best Practices doziert, sondern einen sehr respekt- und verständnisvollen Umgang mit den heutigen Führungskräften in ihren gewachsenen Strukturen findet: Menschen tun das, was sie tun, weil und wenn es für sie Sinn ergibt (womit ich versehentlich doch wieder ins Coaching abrutsche), und verhaltenslenkende Werte ändern sich nicht von einem Tag auf den anderen – selbst gelungene Changeprozesse verlangen allen Beteiligten, auch den „Evangelisten“ im Unternehmen, viel ab. Das weiß Buhse und schlägt einen entsprechend geduldigen Ton an, der die Zielgruppe dieses Buch im Gegensatz zu vielen anderen mutmaßlich bis zum Schluss lesen lässt.
Diese Authentizität vermittelt sich zum Einen über Buhses eigene Erfahrungen in Transformationsprozessen, die er durchaus selbstkritisch reflektiert, und über Beispiele, die zeigen, dass traditionell hierarchische Führungsstrukturen teilweise gut neben partizipativen Methoden bestehen können. Zahlreiche Cases aus verschiedensten Zusammenhängen (von der Dresdner Fluthilfe bis zum indischen IT-Unternehmen) demonstrieren anschaulich, welche positive Dynamik sich entwickeln kann, wenn Menschen angstfrei „anpacken“ (wem das im Buch zu sanft geraten ist, lege ich noch diesen Artikel aus der Wirtschaftswoche zu disruptiven Prozessen und neuen Märkten ans Herz).
Keine wissenschaftliche Abhandlung also, sondern ein argumentativ unterfütterter Appell, die erfolgskritischen „Faux-Pas“-Werte (schöne Eselsbrücke) Vernetzung, Offenheit, Partizipation und Agilität im Unternehmen zu aktivieren. Ein Selbsttest am Ende des Buchs zu den eigenen Digital Leadership-Qualitäten wirkt bei hoffentlich vielen Lesern als „Call-to-Action“.
(Transparenzhinweis: Ich arbeite gelegentlich, unter anderem im Rahmen der Digital Leadership Academy, mit Willms Buhses Beratungsunternehmen doubleyuu zusammen.)