Hut ab, Herr Habeck! Inspirierende Persönlichkeiten 2019 – Teil I

Symbolbild: Augen immer auf den Horizont – dann wird uns auch 2019 nicht seekrank…

Ein glückliches, zufriedenes, gesundes Jahr 2019 wünsche ich Allen, die sich hierher verirrt haben oder bewusst hier anlanden. Ich habe es zur Tradition werden lassen, über Weihnachten in die Ferne zu ziehen und „zwischen den Jahren“ (welch‘ schöne deutsche Wortschöpfung) auch „zwischen dem Denken“ sein zu lassen. Keine Pläne, keine Sorgen, kein Müssen – eine wunderbare Zeit, um sich selbst wieder näher zu kommen ist das. Und ich vermute, diesen Effekt spüren Viele, die sich aus dem öffentlichen und insbesondere digitalen Leben zurückziehen für eine Weile.

Der Wirbel um Robert Habeck heute hat mich an einen Vorsatz erinnert, den ich nicht in der Silvesternacht gefasst habe, sondern der über die letzten Monate des Jahres 2018 gereift ist: Ich habe im letzten Jahr so viele interessante, inspirierende Persönhlichkeiten kennenlernen (oder nur aus der Ferne betrachten) dürfen, dass ich meine kleine Plattform verstärkt dazu nutzen möchte, sie in lockerer Folge vorzustellen oder mich auch nur mit ihrem Tun auseinanderzusetzen.

Heute also: Robert Habeck, einer der beiden Bundesvorsitzenden der Grünen, der sich gleich zweimal innerhalb weniger Wochen einen schlimmen sprachlichen Lapsus erlaubt hat (kurzer Abriss dazu hier), zweimal einen Shitstorm erntete und zugleich auch noch vom großen Hackerangriff betroffen war. Heute morgen verkündete er, seine Konten bei Facebook und Twitter zu löschen, beide mit knapp 50.000 Followern. Diese Löschung scheint mittlerweile aktiv zu sein. Solange man seine Beiträge lesen konnte und auch in der begleitenden Diskussion überwog die Einschätzung „menschlich nachvollziehbar, aber unprofessionell und schade – wieder eine gute Stimme weniger.“

Ich bin ernsthaft beeindruckt von Habecks Konsequenz, aus drei Gründen:

Authentizität: Alle wollen’s, keiner traut sich

Viel wurde im letzten Jahr über das angebliche Spannungfeld zwischen „Professioneller Kommunikation“ und „Authentizität“ diskutiert (siehe die Debatte zu CEOs in Social Media – ich verlinke bewusst nicht den Ausgangspost). Ich habe diesen Gegensatz nie gesehen – vorausgesetzt, die/derjenige fühlt sich in seiner Rolle als Kommunikator wohl und ist unterstützt und strategisch eingebunden durch die Kommunikationsprofis im Unternehmen und der Organisation. Robert Habeck war ein echtes Zugpferd in der Kommunikation seiner Partei, stellte sich gut und gern in den Dienst auch der Landespartei – und beschädigte sie in gleichem Maß mit seinen Faux-Pas. Sich als erfahrender Politiker, Philologe und Schriftsteller hinzustellen und zu sagen „das macht was mit meiner Denke, mit meiner Sprache, ich will das nicht mehr“ – das ist aus meiner Sicht kein egomaner Luxus, sondern Selbstfürsorge. Da erhält sich eine Führungspersönlichkeit ihre professionelle Wirksamkeit (und mittelbar auch die seiner Partei, der er auf den ersten Blick den Dienst verweigert). Die Grünen profitieren zudem davon, dass die „Marke Habeck“ – in meiner Wahrnehmung selbstreflektiert und selbstkritisch wie wenige Bundespolitiker – ihre Glaubwürdigkeit behält. Zunächst sich selbst, dann allen anderen gegenüber.

Aufrichtigkeit: Oft gefordert – und dann überfordert?

Erinnert sich noch jemand an die Affäre Maaßen, mag sich noch jemand an das unwürdige Rücktrittsgeschacher Seehofers erinnern? Bei allem Politik(er)überdruss scheinen wir uns an den schlechten Stil alter, machtbesessener Männer gewöhnt zu haben: Ausflüchte, Sündenböcke überall. Auch Habeck hätte sich dieser Methoden bedienen können. Jeder Kommunikationsprofi weiß, dass „hier ein Statement, da ein O-Ton“ Teamarbeit ist. Da sind schon zu Zeiten langwieriger Abstimmungen und Freigaben Fehler passiert. Jetzt muss das alles schnell gehen und jemand, der im Wahlkampfmodus noch „endlich wieder Demokratie in Bayern“ vom Pult jubeln konnte, darf so eine Überspitzung auf offiziellen Social Media-Kanälen nicht mehr treffen, muss aber total authentisch gehetzt und megaflott überall präsent sein. Die Liebe zur Authentizität, sie hört da auf, wo jedes verbale Stolpern die Chance zum tiefen Fall bietet. Es wäre ein Leichtes gewesen, eine neue Schnittfassung online zu stellen, den peinlichen Fehler kleinlaut auf Mitarbeiter und Prozesse abzuschieben und bessere Qualitätssicherung für die Zukunft zu geloben – das Grundthema „ich empfinde diese Medien als aggressiv und nehme auch eine Veränderung bei mir selbst wahr“ wäre geblieben. Insofern zolle ich Habeck Respekt für seinen

Mut zur Konsequenz und zu Konsequenzen:

Ein Schnitt im persönlichen Verhalten. Eine Disruption im politischen „Weiter so“. Die Welt geht nicht unter, noch nicht einmal die Rückkehr in die „sozialen“ Medien bleibt ihm verwehrt und Robert Habeck wird andere Wege finden, seine Positionen zu äußern und zu diskutieren. Eine gute Lösung für eine einzelne Person, keine Blaupause für Andere. Aber hoffentlich Inspiration für Viele, dass „man“ gar nichts muss.